1908 | Einige fundamentale Sätze betreffs der Absorption und der Absorptionsspektren der Gase



Für das Studium der Veränderungen der Spektren mit dem Druck und der Temperatur liegt ein sehr reiches Beobachtungsmaterial vor, dessen theoretische Verwertung jedoch durch den Umstand beeinträchtigt wird, dass die Gasspektren, die Gegenstand der Untersuchung waren, fast ausnahmslos Lumineszenzspektren sind, und dass die Änderungen von Druck und Temperatur des strahlenden Gases sowohl bei den elektrischen Lichtquellen Änderungen in den rein elektrischen Erscheinungen, als auch in den Flammen solche der chemischen Prozesse bewirkt haben können. Die experimentellen Schwierigkeiten der Untersuchung reiner Temperaturstrahlung , die durch Paschen innerhalb des ultraroten Spektrums völlig konstatiert erscheint, werden übrigens beträchtlich vermindert, wenn man statt der Strahlungsphänomene zunächst die Absorptionserscheinungen zum Gegenstand der Untersuchung macht. Solche Untersuchungen hat Verf. bereits vor etwa 20 Jahren begonnen , und speziell über den Einfluss der Beschaffenheit der Gase hatten Paschens Versuche über das Spektrum der Kohlensäure bei verschiedener Temperatur (Rdsch. 1594, IX , 150) ergeben, dass die Spektralbanden mit steigender Temperatur eine Verschiebung erfahren.

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Durch Versuche mit demselben Gase hatte ferner der Verf, vor einigen Jahren gezeigt (Rdsch. 1902, XVII , 10), dass das sogenannte Beersche Gesetz, nach dem die Absorption eines Gases konstant ist, solange das Produkt aus Druck und Schichtdicke konstant bleibt, für Gase nicht streng anwendbar sei.

War hierdurch ermittelt, dass die Absorption, die ein Gas ausübt, nicht nur von der Anzahl der Gaspartikel, durch die die Strahlung hindurchgeht, sondern auch von ihrem Bewegungszustand abhängt , so lag die Frage nahe, oh die Absorption eines Gases auch durch die Anwesenheit eines fremden Gases verändert werde. Verf. hat daher die Untersuchung über die Absorptionsspektren von Gasen mit besonderer Rücksicht auf diese Frage wieder aufgenommen und mit Unterstützung zweier Schüler, Herrn Bohlinder und Fräulein Eva von Bahr, die Resultate erzielt, über die er in der vorliegenden vorläufigen Mitteilung Bericht erstattet.

Zunächst wurde die Absorption der Gesamtstrahlung einer Bunsenflamme durch Kohlensäure untersucht, indem erst die Strahlung der Bunsenflamme durch die evakuierte Absorptionsröhre gemessen wurde; dann wurde Kohlensäure unter dem Druck von etwas weniger als 1 Atm. eingefüllt und die Absorption bestimmt; hierauf wurde zu der Kohlensäure trockene, kohlensäurefreie Luft zugelassen, bis der Druck 1 Atm. betrug, und die Absorption aufs neue bestimmt. Hierbei zeigte sich , dass die Absorption der Kohlensäure durch Zusatz von Luft zugenommen hat. Der Versuch wurde sodann iu der Art abgeändert, dass das Absorptionsrohr durch eine Steinsalzplatte in zwei ungleiche Kammern von 3 bzw. 30 cm Länge geteilt wurde, die durch eine feine Röhre miteinander in Verbindung gesetzt werden konnten. Beide Rohrteile wurden zunächst evakuiert und die Strahlung durch das Rohr bestimmt. Hierauf wurde die kleinere Kammer bis zu einem bestimmten Druck p₁ mit dem Gase gefüllt und die Absorption «, bestimmt. Öffnete man nun die Verbindungsröhre, so dass das Gas sich durch das ganze Rohr verbreitete, dann sank der Druck auf p₂ und die Absorption war a₂, kleiner als a₁. Schließlich wurde ein nicht absorbierendes Gas in das Rohr gelassen, bis der Gesamtdruck wieder p₁, wurde; die Absorption a₃ war nun gleich a₁. "Bei konstantem p x l (p = Druck, l = Schichtdicke) wird also die Absorption mit dem Druck geringer, nimmt aber ihren ursprünglichen Wert wieder an, wenn dem verdünnten Gase ein nicht absorbierendes Gas in einer Menge zugesetzt wird, dass der Totaldruck der Mischung gleich dem ursprünglichen Druck des ungemischten Gases wird."

Die hier festgestellte Wirkung eines fremden Gases auf die Gesamtabsorption ist auch für die verschiedenen Absorptionsbanden durch Verwendung eines Spektrobolographen untersucht worden ; das Spektrum einer Nernstlampe wurde bei wohlevakuierten beiden Röhrenteilen registriert, sodann, während die kleine Kammer mit trockener Kohlensäure unter bestimmtem Druck gefüllt war, hierauf, wenn dieselbe Gasmasse durch beide Rohrteile verbreitet war , und schließlich, wenn ein anderes Gas bis zur Herstellung des ursprünglichen Druckes eingelassen war. Die spektrobolometrischen Messungen bestätigten vollständig den Befund für die Gesamtabsorption. Auch innerhalb einer bestimmten Spektralbande wird die Absorption geringer, wenn die absorbierende Gasmasse verdünnt wird; sie kehrt aber wieder zu dem ursprünglichen Werte zurück, sobald durch Zusatz eines fremden Gases der Totaldruck denselben Wert erhält wie anfangs, Frl. v. Bahr hat die Untersuchung auf eine große Zahl von Gasen ausgedehnt , und es scheint diese Regel allgemeine Gültigkeit zu besitzen.

Herr Angström fasst die Ergebnisse seiner früheren und jetzigen Versuche in folgende Sätze zusammen:

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1.
Das Beersche Gesetz gilt im allgemeinen nicht für Gase.


2.
Wird einem bestimmten Gase von bestimmtem Volumen ein fremdes Gas zugesetzt , das nicht chemisch auf das erstere einwirkt , so nimmt das Absorptionsvermögen bei dem ersteren Gase zu.


3.
Die Absorption einer Gasmischung ist daher größer als die Summe der Absorptionen der einzelnen Bestandteile, jeder Teil unter seinem Partialdruck genommen.


4.
Die Absorption einer Gasmischung ist dagegen gleich der Summe der Absorptionen der einzelnen Bestandteile, wenn die Absorption eines jeden Teiles als unter dem Totaldruck der Mischung stattfindend gerechnet wird.
"

Für theoretische Schlussfolgerungen hält Verf. die bisherigen Ergebnisse noch nicht für genügend, die Versuche sollen noch weiter geführt und zunächst auf das Veihalten der Linienspektren der Gase ausgedehnt und quantitativ festgelegt werden. --- Erst nach Abschluß seiner Arbeit erhielt Verf. Kunde von der Untersuchung R. W. Woods über die Änderung des ultravioletten Quecksilberspektrums durch Zusatz eines fremden, chemisch unwirksamen Gases (Rdsch. XXIII , 225) , die gleichfalls zu einer Erklärung der Erscheinungen noch nicht geführt hat.

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Fundstellen:

Archive.org
Quelle: Naturwissenschaftliche Rundschau 1908, Jahrgang 23, Seite 642 - 643
https://archive.org/details/naturwissenschaf23brau/page/642