Prof. Svante Arrhenius (1859 - 1927)
Schwedischer Physiker, Chemiker und Nobelpreisträger

1901 | Über die Wärmeabsorption durch Kohlensäure



In einer Abhandlung vom Jahre 1896*) versuchte ich den Einfluss des Kohlensäuregehaltes der Atmosphäre auf die Erdtemperatur zu berechnen. Dazu benutzte ich die Beobachtungen von Langley**) über die Strahlung des Mondes, woraus die Absorption der Kohlensäure und des Wasserdampfes berechnet wurde. Inzwischen zeigte es sich, dass die so erhaltenen Zahlen der Absorption nicht mit neueren Erfahrungen zu vereinigen waren, weshalb eine Neubestimmung der Absorption der Kohlensäure erwünscht erschien. Dieselbe habe ich im Institut von Prof. H. Rubens in Charlottenburg ausgeführt und erlaube ich mir hier meinen besonderen Dank Hrn. Rubens für seine liebenswürdigen Ratschläge und seine Hilfe bei der Arbeit auszusprechen.

Die Versuchsanordnung war folgende. Eine Wärmequelle, bestehend aus einem Leslie'schen Würfel (100 ° C.) oder einem Hohlkörper aus berusstem Kupferblech, der in einen Kohlensäure-Aetherbrei (- 80°C.) tauchte, sandte Strahlen aus, welche - im letzten Falle durch einen um 45 ° gegen die Horizontalebene geneigten Silberspiegel - längs der Axe eines Rohres von 33 mm innerem und 50 mm äußerem Durchmesser gerichtet wurden. Die Innenwände des eisernen Rohres waren mit einer stark absorbierenden Schicht von Eisenoxyd bedeckt und die Enden desselben wurden durch Ringe von Messing, in deren Mitte 1 cm dicke und 3 cm im Durchmesser haltende Steinsalzplatten eingekittet waren, vermittelst Schraubenkappen zugeschlossen.


* Sv. Arrhenius, Bihang der Stockh. Akad. 22. I. Nr. 1. 1896; Phil. Mag. (5) 41. p. 237. 1896.
** S. P. Langley, Memoirs of the nat. Ac. of Sc. 4. 9th mem. 1890.

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Die Wärmestrahlung ging durch diese Röhre zu einer Rubens'schen Thermosäule, welche mit einem Du Bois-Rubens'schen Panzergalvanometer in Verbindung stand. Der Weg der Wärmestrahlen betrug von der Wärmequelle bis zur Röhre 17 bez. 26,5 cm, in der Röhre 50 cm (außer dem Wege durch die Steinsalzplatten), und von der Röhre bis zur Thermosäule 26,3 cm. Zwischen Wärmequelle und Rohr waren mehrere feste Schirme mit Diaphragmen und ein beweglicher zum Abschluss von fremden Strahlen aufgestellt, zwischen Rohr und Thermosäule und um die letztere waren röhrenförmige Vorrichtungen aus Papier und ein hölzernes Gehäuse zur Verhinderung von Luftströmungen aufgebaut.

Die Anordnung ähnelt in vielen Beziehungen derjenigen, welche Tyndall bei seinen bekannten Versuchen über Wärmeabsorption in Gasen benutzt hat.*) In das Rohr konnte von einer Kohlensäurebombe Kohlensäure eingefüllt werden, wobei Drücke von 1-8 Atmosphären, die auf einem Metallmanometer abgelesen werden konnten, zur Verwendung kamen. Wenn nötig konnte die Kohlensäure durch eine Luftpumpe aus dem Rohr entfernt und durch Luft ersetzt werden. Die Wärmestrahlung, welche bei diesen Versuchen auf dem Galvanometer abgelesen wurde, war die Differenz zwischen der Strahlung der Wärmequelle und der Thermosäule (15 ° C.).

Es ist wohl nicht nötig, die Bestimmung der Absorption näher zu beschreiben, sondern ich kann, indem ich betreffs näherer Details auf die in der Stockholmer Akademie publizierte Abhandlung verweise, zur Wiedergabe der Beobachtungen übergehen. Dabei wird unter Länge (l) der absorbierenden Schicht das Produkt aus der Länge der Röhre und dem Druck in Atmosphären der Kohlensäure in demselben verstanden. Unter A ist die Absorption in Procenten tabelliert. 1 - A/100 wird der Kürze halber a genannt. Die direkten Beobachtungen gaben folgende Werte, wobei die Versuche mit dem Leslie'schen Würfel mit I, diejenigen mit der Kohlensäure-Aetherkühlung mit II bezeichnet sind:


* J. Tyndall, Contributions to mol. physics p. 15. 1872.

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Es fällt auf, dass die unter A2 stehenden Ziffern durchgängig größer sind als die unter A1 stehenden, für ungefähr gleich große l-Werte gültigen. Um dies näher zu erforschen, habe ich durch Interpolation folgende Werte berechnet:



Der letzte Wert, der durch eine mäßige Extrapolation gewonnen ist, scheint anzudeuten, dass die in den ersten Ziffern ausgesprochene Tendenz des Quotienten, mit steigendem l-Werte zu sinken, wahrscheinlich nur auf Zufall beruht. Da eine Einheit in der letzten Dezimale einem Fehler von etwa 0,1 Proc. im A-Wert entspricht, und wohl Fehler von 0,5 Proc. in diesen Werten vorkommen können, so ist es wohl erlaubt einen konstanten Mittelwert 1,44 für das Verhältnis log a2 : log a1 anzunehmen. Von diesem Wert werden wir unten bei den Berechnungen Gebrauch machen. Mein Hauptzweck war die Absorption der Kohlensäure für relativ hohe l-Werte (über 50 cm) kennen zu lernen. Aus Tyndall's Daten*) kann man Werte der Absorption für niederere l-Werte erhalten. Sie beziehen sich auf die Strahlung eines 100° warmen schwarzen Körpers gegen eine Thermosäule von Zimmertemperatur. Seine Werte sind folgende:




* J. Tyndall, 1. c. p. 37.

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Sie stimmen, wie man sieht, sehr gut mit meinen Versuchen überein, welche unter nahezu denselben Versuchsbedingungen ausgeführt sind. Für l= 50 erhält man aus Tyndalls Daten A1=10,9, während von mir A1=10,4 beobachtet wurde. Im Folgenden ist es für die Berechnungen von Wichtigkeit, eine empirische Formel darzustellen, welche das Beobachtungsmaterial innerhalb der Versuchsfehler wiedergibt. Eine solche Formel, welche für unendliche l-Werte einen A4-Wert gleich 100 aus theoretischen Gründen (vgl. weiter unten) geben soll, ist folgende:

log a = -D {1(1 + Bl)c - 1}.


Durch Ausprobieren findet man folgende Werte der Konstanten:

D1 = 0,0028 bez. D2 = 0,0040, B = 1 c = 0,25.


Die folgende Tabelle erlaubt einen Vergleich der beobachteten Zahlen mit den berechneten. Die Versuche von Tyndall sind durch ein T, die von mir durch ein A gekennzeichnet, log a ist ein berechneter Wert.



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Eine Abweichung scheint bei den niedrigsten Werten zwischen der Rechnung und der Beobachtung zu bestehen, sicher ist aber diese Abweichung nicht, denn es wäre wohl denkbar, dass auch diese Differenzen innerhalb der Versuchsfehler fallen, wie wohl für die übrigen der Fall ist. Es scheint demnach als ob man die gefundene Formel zu Berechnungen innerhalb des Gebietes A1 = 5 bis A1 = A18,5 oder A2 = 7 bis A2 = 27, l-Werten von 10 bis 350 entsprechend, benutzen könnte. Und nach der guten Übereinstimmung zwischen Beobachtung und Berechnung scheint es wohl möglich bis zu Werten von A1 und A2, die 25 bez. 35 erreichen, die Formel zur Extrapolation zu verwenden, ohne allzu große Fehler (von mehr als 1 Proc. in A) zu machen. Diese Extrapolation ist für einen (geringen) Teil der Rechnungen betreffs der Kohlensäureabsorption in der Atmosphäre nötig, man kommt dabei zu l-Werten, die 1000 erreichen, also 20 Atmosphären Druck in dem benutzten Apparat entsprechen, einem Druck, bei dem es mir leider wegen Undichtigkeiten nicht gelang, Beobachtungen auszuführen. Mit Hilfe der oben gegebenen Formel habe ich eine Tabelle berechnet über die Länge der Kohlensäureschichten, welche genügen, um einen bestimmten Prozentsatz der Wärmestrahlung zu absorbieren. In dieser Tabelle sind zwei Werte l1 und l2angeführt, welche den beiden oben erwähnten Wärmequellen entsprechen. Folgender Auszug möge genügen:



Es gilt jetzt die Einwirkung einer gegebenen Kohlensäureatmosphäre (in welche andere, nicht merklich absorbierende Gase, wie Sauerstoff und Stickstoff, eingemischt sein können) auf die Temperatur einer davon eingehüllten schwarzen Kugel, die wie die Erde eine konstante Wärmezufuhr erhält, zu berechnen. Die Wirkung dieser Atmosphäre, die wir uns 'genau so wie die Erdatmosphäre konstituiert denken können, vorausgesetzt dass die anderen wärmeabsorbierenden Gase, hauptsächlich Wasserdampf, entfernt sind, beruht darauf, dass Teile derselben eine (viel) niedrigere Temperatur als die Kugeloberfläche besitzen.

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Denn wenn die Kohlensäure durchgängig dieselbe Temperatur besäße wie die Kugeloberfläche, so würde die Strahlung nach außen sich so verhalten, wie wenn die Kugel von einem partiell durchsichtigen Glas von derselben Temperatur umgeben wäre. Von den Spectralgebieten, von welchen dieses Glas etwas von der Strahlung des unterliegenden schwarzen Körpers absorbierte, würde sie genau ebensoviel ausstrahlen. Wenn nun die Kohlensäure der Kugelatmosphäre von der Strahlung der Kugel im ganzen z. B. 20 Proc. absorbierte und gleich viel emittierte, so könnte man sich dieselbe in 20 Schichten zerlegt denken, wovon jede je ein Procent emittierte. Da nun Absorption und Emission einander parallel gehen, so wird die Verteilung und Dicke der Schichten genau dieselbe sein, wie die Verteilung und Dicke von 20 Schichten, welche zusammen 20 Proc. und jede für sich 1 Proc. einer von außen kommenden Strahlung absorbierten. Es ist also leicht, mit Hilfe der letzten Tabelle für eine senkrecht gegen die Kugeloberfläche ausgehende Strahlung die betreffende Verteilung der Schichten zu berechnen. Nun gehen aber die Strahlen nicht nur senkrecht gegen die Kugeloberfläche, sondern auch in alle anderen Richtungen. Demzufolge wird die durchstrahlte Schicht im Mittel größer, als wenn die Strahlung nur senkrecht zur Oberfläche hinausginge, und dadurch wächst auch die Absorption der Atmosphäre. Wenn die Absorption proportional der Weglänge wäre, so würde der anzubringende Reduktionsfaktor gleich 2 sein. Dies trifft für außerordentlich geringe Kohlensäuremengen zu. Wegen der starken Abweichung von dieser Proportionalität fällt aber dieser Reduktionsfaktor geringer aus, und zwar habe ich mich durch mechanische Quadratur überzeugt, dass die Wirkung so groß ist, wie wenn die durchstrahlte Schicht 1,70 bis 1,75 mal so dick wäre wie die Schicht, welche bei Strahlung senkrecht zur Kugeloberfläche durchlaufen wird.

Wir können also jetzt die Lage und die Dicke der Schichten in der genannten Atmosphäre berechnen, welche je ein Procent der totalen Strahlung von' der Kugel absorbieren und emittieren. Denken wir uns jetzt die Temperatur nicht gleichmäßig, sondern etwa wie in der Atmosphäre verteilt, sodass die äußeren Schichten bedeutend niedriger temperiert sind, wie die inneren.

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Die Absorption wird dadurch nicht nennenswert verändert, sondern wir können die Schichtenverteilung unverändert behalten ohne merkliche Fehler zu begehen. Dagegen sinkt die Emission ganz enorm und zwar besonders in den äußersten Schichten. Dieses Sinken ist für verschiedene Wellenlängen verschieden und kann nach der Wien'schen Formel, mit der Planck'schen Correction, berechnet werden. Da nun bei dieser Strahlung die Verhältnisse so ähnlich wie möglich mit denjenigen der Erde angenommen werden, so spielt die Strahlung der Kohlensäure von der Wellenlänge 14,5μ die ganz überwiegende Hauptrolle, sodass diejenige bei 2,6μ, bez. 4,2μ vernachlässigt werden kann. (Dadurch wird die Abnahme der Strahlung mit sinkender Temperatur etwas geringer angenommen als sie in Wirklichkeit ist.) Um einen Begriff von dieser Abnahme zu geben, mögen folgende relative Werte der Emission (E) eines schwarzen Körpers in Bezug auf die Wellenlänge 14,5μ angeführt werden::

T = +23,2 -15,4 -54,0 -92,7 -131,4 -170,0 -182,9 ° C.
E = 1,68 1,00 0,50 0,19 0,043 0,0031 0,0001.


Die Strahlung der niedrigst temperierten äußersten Schichten ist so gut wie Null, d. h. sie halten die betreffende Strahlung vollkommen zurück.

Die Strahlung dieser Kugel verhält sich also ungefähr wie diejenige der Sonne. Wenn dieser Himmelskörper keine absorbierende Dunsthülle besäße, so würde er aussehen wie eine gleichmäßig_ leuchtende Scheibe mit einem kontinuierlichen Spektrum. Anstatt dessen sehen seine Ränder dunkler aus als die Mitte, weil die absorbierende Schicht da dicker ist, und auch die Emission der mittleren Teile ist bedeutend herabgesetzt, wie die Absorptionslinien im Spektrum andeuten. Man schätzt, dass auf diese Weise die halbe Wärmestrahlung der Sonne erspart wird. Ebenso wird der Wärmeverlust der betrachteten schwarzen Kugel vermindert und ihre Temperatur steigt demgemäß, bis wieder Gleichgewicht mit der konstanten Wärmezufuhr eintritt. Die dazu nötige Temperaturerhöhung kann leicht mit Hilfe des Stefan-Boltzmann'schen Gesetzes berechnet werden.

Um nun weiter zu kommen, muss man sich eine Vorstellung bilden, wie die Temperatur mit der Höhe abnimmt Wir wollen da annehmen, dass die Temperaturverteilung ebendieselbe ist wie in unserer Atmosphäre.

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Diese ist bis zu Höhen von etwa 5500 m (einem Druck von 380 mm entsprechend) recht genau bekannt. Für größere Höhen muss man sie berechnen. Nach Hann nimmt die Temperatur um etwa 0,57 °, nach den Tabellen von v. Bezold etwa 0,8 ° für je 100 m ab. Für größere Höhen wird diese letztere Zahl unzweifelhaft die richtigere sein und zwar, wie v. Bezold hervorhebt, wahrscheinlicherweise überschritten werden. Indessen unterscheiden sich die Rechnungsresultate nach der einen oder anderen Annahme recht wenig, weshalb ich mit dem Mittelwert gerechnet habe, obgleich der schützende Effekt der Kohlensäure dadurch wahrscheinlicherweise etwas unterschätzt wird.

Nun ist weiter zu bemerken, dass die oben gefundenen Absorptionsdaten für Kohlensäure zwischen Steinsalzplatten von 1 cm Dicke gültig sind. Diese Steinsalzplatten besitzen aber, wie Rubens und Trowbridge*) gezeigt haben, eine stark ausgeprägte selektive Absorption, welche übrigens derjenigen des Wasserdampfes für Wellenlängen von 13μ ab nicht unähnlich ist. Wegen dieser Wirkung der Steinsalzplatten ist eine Korrektion einzuführen, wodurch die Absorption der Kohlensäure in den beiden untersuchten Fällen auf 93 bez. 79 Proc. reduziert wird.

Die wärmehaltende Eigenschaft der Kohlensäure wird am leichtesten ersichtlich, wenn man die Temperaturänderung der schwarzen Kugel berechnet, welche erfolgen würde, wenn die Kohlensäure, deren Menge gleich derjenigen in unserer Atmosphäre angenommen wird, aus ihrer Atmosphäre entfernt oder auf das Viertel oder die Hälfte dieses Betrages reduziert bez. auf das Doppelte oder Vierfache vergrößert werden würde. Diese Änderung ist in folgender Tabelle aufgeführt, und zwar sind zwei Werte eingetragen: einer, der gilt, wenn die oben angeführte Reduktion nicht angebracht wird, ein anderer nach erfolgter Reduktion. Die Temperatur bei der Menge 1,0 (der jetzigen Kohlensäuremenge in der Atmosphäre entsprechend) wird gleich 15 ° C. angenommen.




* H. Rubens u. J. Trowbridge, Wied. Ann. 60. p. 724. 1897. Annalen der Physik. IV. Folge. 4.

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Wenn man nun diese Berechnungen auf die irdischen Verhältnisse anwenden will, so tritt eine Komplikation dadurch ein, dass in unserer Atmosphäre sich ein anderer stark absorbierender Stoff, der Wasserdampf, befindet. Wenn nun der Wasserdampf keine gemeinsamen Absorptionslinien mit der Kohlensäure besäße, so würde dadurch nur die Absorption der Kohlensäure in Prozenten von der nach der Wasserdampfabsorption übrigen Strahlung vergrößert werden. Der Wasserdampf besitzt nun mehrere starke Absorptionsbänder bei niederer Wellenlänge und außerdem, nach den Untersuchungen von Rubens und Aschkinass*), eine beinahe vollkommene Absorption der Strahlung von Wellenlängen über 16μ. In dieser letzten Beziehung ähnelt der Wasserdampf sehr dem Steinsalz, welches auch Strahlen von Wellenlängen über 16μ, beinahe vollkommen zurückhält.

Es scheint deshalb natürlich, die in der Atmosphäre vorwaltenden Verhältnisse eher nach den oben gegebenen unkorrigierten Ziffern als nach den für die Absorption durch das Steinsalz korrigierten zu beurteilen. Die an anderen Stellen des Wärmespektrums vorkommende Absorption des Wasserdampfes, welche mehrere ausgeprägte Maxima besitzt, dürfte eher weniger von der Kohlensäurestrahlung als von den übrigen Strahlen absorbieren. Zwar fällt das Kohlensäuremaximum bei 2,6μ in der Nähe des Wassermaximums bei 2,64 und ein Teil der Strahlen von Wellenlängen um 2,6 dürfte sowohl durch Kohlensäure, als auch durch Wasserdampf Absorption erleiden. Ebenso absorbiert der Wasserdampf merklich in der Nähe von 14,5μ. Aber die Coincidenz dürfte bei einer näheren Untersuchung sich mehr als scheinbar wie als wirklich herausstellen, da die Absorptionsbänder nach Langley's Messungen**), worüber weiter unten gesprochen wird, nicht kontinuierlich sind, sondern aus diskreten Linien mit schnell nach den Seiten abnehmender Stärke bestehen. Dazu kommt, dass in den höheren Luftschichten, wo der eigentliche wärmeschützende Effekt seinen hauptsächlichen Sitz hat, außerordentlich geringe Wasserdampfmengen vorkommen, sodass nur die allerkräftigsten Absorptionsbänder, wie dasjenige bei Wellenlängen über 16μ, eine merkliche Wirkung ausüben.


* H. Rubens u. E. Aschkinass; Wied. Ann. 64. p. 598. 1898.
** Vgl. die Zeichnungen von S. P. LangIey in Rep. Brit. Ass. 64. p..473-474. 1894.

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So z. B. dürfte nach v. Bezold's Tabellen die Wasserdampfmenge über 8000 m Höhe nicht so groß sein wie die absorbierende Menge bei den Versuchen von Rubens und Aschkinass.

Die Ab- oder Zufuhr einer bestimmten Kohlensäuremenge zu der übrigens unveränderten jetzigen Erdatmosphäre bringt deshalb wahrscheinlich eher eine größere als eine geringere Einwirkung auf die Temperatur der Erde mit sich, als die oben stehenden unreduzierten Ziffern angeben. Die Erde kann nämlich sehr nahe als ein schwarzer Körper behandelt werden.

Dagegen spielt der Wasserdampf eine andere Rolle, wodurch der Effekt der Kohlensäuregehaltsänderung verschärft wird, was ich schon in meiner vorigen Arbeit über dieses Thema hervorgehoben habe. Wenn nämlich zufolge der Kohlensäurezunahme die Temperatur der Erdoberfläche steigt, so wächst dadurch der Wasserdampfgehalt der Luft. Dadurch wird die Absorption in der Atmosphäre vergrößert und der Wärmeschutz effektiver. Da keine Daten jetzt vorliegen, woraus dieser Wärmeschutz berechnet werden kann, so benutze ich das alte Resultat, wozu ich in meiner vorigen Untersuchung, gestützt auf Langley's mangelhafte Daten gelangte. Danach sollte der vom Verdampfen des Wassers hervorgebrachte Zuschuss in dem Effekt bei niederem Kohlensäuregehalt etwa ein Drittel, bei hohem ein Sechstel des direkten Effektes der Kohlensäure ausmachen. Nach den damals ausgeführten Berechnungen sollte einem Sinken des Kohlensäuregehaltes der Luft auf 0,5 eine Temperaturerniedrigung von 5,3° C. entsprechen. Von diesen 5,3° entspringt ein Viertel der Wasserdampfabnahme und 4,0° der direkten Kohlensäurewirkung, während jetzt 3,2° berechnet wurden. Ebenso würde nach der alten Berechnung dem dreifachen Kohlensäuregehalt der jetzigen eine Temperatursteigerung von etwa 8,2° C. entsprechen, wovon 7° auf die direkte Kohlensäurewirkung kämen, was dem neuberechneten Wert (7,1°) sehr wohl entspricht. Die neue Berechnung führt demnach zu Ergebnissen, die mit denjenigen der alten entweder gänzlich übereinstimmen, oder jedenfalls annähernd gleich sind.

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Da die ganze Berechnung nur darauf abgesehen ist, einen Annäherungswert für den betreffenden Effekt zu geben, so kann man wohl behaupten, dass die neue Berechnung in der Hauptsache zu demselben Ziel führt wie die alte. Ebenso erscheint es mir immer noch plausibel, die genannte Wirkung des Wasserdampfes ungefähr ebenso groß zu schätzen, wie ich 1896 getan habe. Da diese Wirkung in Gegenden mit geringer Wasserdampfmenge größer ausfällt, wie in solchen mit hoher, trägt dieser Effekt wesentlich dazu bei, die Temperaturungleichheiten auf der Erde auszugleichen.

In einer neuerdings erschienenen Abhandlung hat Hr. Ångström Resultate erhalten, welche mit den oben angeführten in grellstem Widerspruche stehen*.) Da die Schlüsse Hrn. Ångström's auf theoretischen Betrachtungen beruhen, die durch die oben angeführten Versuche als unhaltbar erwiesen sind, so will ich kurz auf seine Ansichten eingehen.

Hr. Ängström berechnet die Energieverteilung im Wärmespektrum nach dem inzwischen von Hrn. Planck korrigierten Gesetz von Wien. Dabei scheint er auch nicht die Rückstrahlung des kälteren Körpers in Betracht zu ziehen. Diese Vernachlässigungen, von welchen der letzterwähnte jedenfalls bei einigermaßen genauen Rechnungen wohl recht bedenklich erscheinen könnte, sind in dem vorliegenden Falle ohne nennenswerten Belang. Hr. Ängström nimmt weiter eine Maximalabsorption an, welche er so bestimmt, dass er den Absorptionsbändern der Kohlensäure eine bestimmte Breite erteilt und wohl annimmt, dass die Absorption innerhalb dieses Gebietes vollständig ist. Wie er näher dies ausgeführt hat, darüber gibt er keine Nachricht; nach der in seinem Aufsatze gedruckten Figur scheint er für das Band bei 14,5μ zwei Breiten anzunehmen, nämlich 3μ (13-16μ) und 2μ (13,5-15,5μ). Nach dieser Schätzungsweise würde die maximale Absorption der Kohlensäure für eine Strahlung eines 15 gradigen schwarzen Körpers gegen einen schwarzen Körper von -80° C. 16,7 bez. 10,9 Proc. betragen. Diese Ziffern stimmen, soweit man verlangen kann, mit den von Ängström gegebenen „etwa 10-16 Proc." (für die Strahlung eines -77 gradigen Körpers gegen den leeren Raum).


* K. Ångström, Ann. d. Phys. 3. p. 720. 1900.

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Nun zeigen aber die oben angeführten Versuche, dass bei einer Länge der absorbierenden Kohlensäureschicht von 355 cm die betreffende Absorption 26,8 Proc. erreicht. Und der Gang der Ziffern in der Nähe dieses Punktes ist so regelmäßig, dass man sicher voraussehen kann, dass die Absorption bei steigender Länge der absorbierenden Schicht weit über 30 Proc. gehen wird. Um nun aber sicher die Fehler der Extrapolation zu vermeiden, bleiben wir bei den beobachteten 26,8 Proc. Korrigiert man nun wegen der Absorption des Steinsalzes, so erhält man einen 0,79 mal so großen Wert, d. h. 21 Proc. Dieser Wert liegt nun bedeutend höher (4,3 Proc.) als der nach Hrn. Ångström's Methode berechnete Maximalwert, der erst bei unendlich großer Dicke der absorbierenden Schicht (nach Hrn. Ångström) erreicht werden sollte.

Da eine so große Differenz nicht gern Versuchsfehlern zugeschrieben werden kann, erübrigt nur ein Schluss, dass die Berechnungsweise des Hrn. Ångström auf unrichtigen Prinzipien begründet ist. Dies ist auch von vornherein wahrscheinlich. Bei stetig zunehmender Schichtendicke nimmt die Absorption stetig zu und nähert sich allmählich dem Wert 100 Proc. Darauf deuten alle unsere bisherigen Kenntnisse. So z. B. zeichnet sich ja die Natriumflamme durch zwei feine charakteristische Linien aus, die jedenfalls viel schärfer sind als die Kohlensäurebänder. Bei zunehmendem Natriumgehalt der Flamme steigt die Emission immer mehr und zwar anfangs proportional der Natriumsalzmenge, später innerhalb eines sehr großen Intervalls proportional der Quadratwurzel daraus. Ein niedriger Grenzwert der Emission, welche den beiden scharfen Natriumlinien entsprechen würde, ist gar nicht aufzufinden. Allmählich erscheint dagegen ein schwacher Hintergrund des Spektrums von rentierlichem Licht, der mit steigendem Salzgehalt an Stärke zunimmt.* Es muss also die Natriumflamme in genügend dicker Schicht sich sehr nahe wie ein schwarzer Körper verhalten. Wasserstoff gibt schon in ziemlich dünner Schicht ein kontinuierliches Spektrum.

Ebenso verhält sich die Absorption der Gase. Jodgas oder Stickstoffsuperoxyd geben in dünner Schicht sehr scharfe Spektrallinien, in mäßig dicker Schicht erscheinen sie ganz undurchsichtig.


* Gouy, Ann. d. chim. et de phys. (5) 18. p. 23. 1879.

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Noch auffallender ist das Verhalten des Wassers. In dünner Schicht ist flüssiges Wasser für sichtbare Strahlen vollkommen durchsichtig. Eine genügend dicke Schicht - man schätzt sie auf etwa 500 m - vermag aber Sonnenlicht vollkommen auszulöschen. Ebenso verhält sich aller Wahrscheinlichkeit nach die Kohlensäure, wenn die durchstrahlte Schicht dick genug wird, sie möge gasförmig oder flüssig sein.

Es ist demnach zu erwarten, dass, bei zunehmender Dicke der absorbierenden Kohlensäureschicht, immer neue Absorptionsstreifen auftreten, die bei dünner Schicht zu schwach ausgeprägt sind, um sich bemerkbar zu machen. In dieser Hinsicht sind die Zeichnungen von Langley* über die atmosphärischen Absorptionsbänder sehr instruktiv. Die erste dieser Zeichnungen endet rechts am Bande, wo sowohl Wasserdampf als auch Kohlensäure eine starke Absorption besitzt. Obgleich dieses Band einer durchstrahlten Schicht von mehr als 250 cm Kohlensäure und einer Wasserdampfmenge von gleicher Größenordnung entspricht, besteht es aus mehreren diskreten Linien und nicht aus einem breiten dunklen Band, wie man nach Hrn. Ångström's Schlussweise vermuten sollte. Bei immer mehr zunehmender Dicke werden sich diese Linien offenbar verbreitern und auch neue Streifen an ihren Seiten zum Vorschein kommen. Dieser letzte Umstand wird durch die abnehmende Stärke der Linien zur Seite des Bandes angedeutet. Durch diese beiden Umstände steigt die Absorption immer weiter mit zunehmender Dicke der absorbierenden Schicht. Zwar geschieht diese Zunahme sehr langsam, nach den oben angeführten Daten nahezu wie die vierte Wurzel aus der Schichtdicke, wenn diese 100 cm übersteigt; später geht die Zunahme noch langsamer vor sich.

Nachdem Hr. Ångström von den oben angedeuteten Prämissen ausgegangen ist, werden die späteren Schlüsse denselben entsprechend. Er erwähnt, dass Hr. Cand. J. Koch im physikalischen Institut von Hrn. Ångström gefunden hat, dass eine "Kohlensäureschicht von 30 cm Länge und 780 mm Druck ca. 10 Proc. von der Strahlung eines schwarzen Körpers von 100 ° absorbiert, und dass, wenn der Druck auf 2/3 reduziert wird, die Absorption sich nur unbedeutend - höchstens mit 0,4 Proc. der Gesamtstrahlung - ändert".


* S. P. Langley, Rep. Brit. Ass. 64. p. 473-474. 1894.

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Die Daten von Tyndall und die obenstehende Berechnung verlangen anstatt "ca. 10 Proc." etwa 8,6, was, da die Versuchsbedingungen von Hrn. Koch noch unbekannt sind, als eine genügende Übereinstimmung angesehen werden möge. Dagegen verlangen die Daten von Tyndall bei Abnahme des Druckes auf 2/3 eine Abnahme der Absorption von etwa 1,6 Proc. (die Absorptionsformel verlangt etwa 1,2 Proc.), was nicht ohne weiteres mit Hrn. Koch's Befund als übereinstimmend angesehen werden kann. Vermutlich wird sich Hr. Koch bemühen, in seiner in Aussicht gestellten Abhandlung diese Diskrepanz aufzuklären. Hr. Ångström bemerkt zu den Daten von Hrn. Koch: "Eine Schicht von 30 cm Länge hat also die Absorption der Strahlung einer Wärmequelle von 100 ° beinahe vollständig bewirkt. Aüs diesen Untersuchungen" (von Hrn. Koch?) "und Berechnungen" (von Hrn. Ångström?) "geht klar hervor, erstens dass höchstens ca. 16 Proc. von der Erdstrahlung durch die atmosphärische Kohlensäure absorbiert werden, und zweitens dass die Gesamtabsorption sehr wenig von den Veränderungen in dem atmosphärischen Kohlensäuregehalt abhängig ist, solange nämlich dieser nicht kleiner als 0,2 Proc. der jetzt vorhandenen ist." In diese Worte hat Hr. Ångström seine Ansichten betreffs der Absorption der Kohlensäure zusammengefasst.

Es verdient vielleicht noch erwähnt zu werden, dass, wenn die Erdatmosphäre nach Hrn. Ångström's Schätzung 10-16 Proc. der Erdstrahlung absorbierte, sie die Erdtemperatur um etwa, 7,4-12,30 erhöhen könnte. Da nun die Eiszeit eine um 4,5 ° niedrigere Temperatur als die jetzige besaß, so könnte man wohl erwarten, dass auch Hr. Ångström in dem partiellen Verschwinden der Kohlensäure aus der Atmosphäre eine mögliche Ursache der Eiszeit erblicken würde. Dem scheint aber nicht so zu sein.

Die Stellung Hrn. Ångström zu dieser Frage ist um so bemerkenswerter, als er früher die Wirkung der Kohlensäure stark überschätzte, indem er der Ansicht war, dass die atmosphärische Kohlensäure etwa 60 Proc. der Sonnenstrahlung absorbiert.

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Aus seinen neuen Beobachtungen hat er aber erfahren, dass ein Zusatz von Kohlensäure zu einer Menge, die in dem oben verwendeten Maasstab einen l-Wert von etwa 125 cm besitzt, keinen merklichen Einfluss (1,5 Proc.) auf die Sonnenstrahlung ausübt. Dieses Resultat steht dagegen in bester Uebereinstimmung mit den bei der oben ausgeführten Rechnung gemachten Annahmen.* Jetzt ist Hr. Ångström zu dem entgegengesetzten Extrem gelangt, hat aber dabei das richtige Verhalten nicht getroffen. Bemerkenswert scheint auch, dass Hr. Ångström für Wasserdampf eine mit der Menge kontinuierlich steigende Absorption findet, obgleich die durchstrahlte Schicht einem l-Wert von etwa 10 000 cm entspricht (also die l-Werte der Kohlensäure, mit welchen oben gerechnet wurde, um das 10 fache übertreffen). Warum die Kohlensäure sich so ganz anders als Wasserdampf verhalten sollte, könnte wohl einer Aufklärung bedürfen.

Betreffs der sekundären Einflüsse, welche die Kohlensäurewirkung begleiten, verweise ich auf die ausführliche Abhandlung. Nur soviel will ich hier erwähnen, dass wenn die Kohlensäure nicht in den höchsten Schichten eine merkliche Absorption ausübte, so würde der Temperaturfall daselbst nach dem Gesetz für die adiabatische Ausdehnung erfolgen, wie v. Bezold so deutlich in folgenden Worten hervorhebt: "In den größten Höhen, wo Absorption und Emission verschwinden und beinahe kein Wasserdampf mehr vorhanden ist, bildet adiabatisches Aufsteigen und Niedersinken trockener Luft die einzige Ursache der Temperaturenänderung mit der Höhe."** Nun ist nach den von ihm angeführten Ziffern diese Grenze auch in 10 000 m Höhe bei weitem nicht erreicht, sondern der Temperaturfall ist nur 0,81 mal so groß, wie man nach Hrn. v. Bezold's Äußerung vermuten sollte. Dieses Plus in der Lufttemperatur rührt ohne Zweifel von der Absorption der Sonnen- und Erdstrahlung durch die Kohlensäure her. Wenn nun noch mehr Kohlensäure in der Luft vorhanden wäre, so würde der Temperaturfall noch mehr von den adiabatischen Verhältnissen abweichen. Wie groß diese Änderung sein kann, hängt von der Lebhaftigkeit der auf- und niedersteigenden Luftströme ab, welche den adiabatischen Zustand hervorzubringen streben, verglichen mit der Strahlung der Kohlensäure, welche einen geringeren Temperaturfall begünstigt.


* Vgl. ,die ausführliche Abhandlung und Bihang. d. Stockh. Akad. 22. p. 29. 1896.
** W. v. Bezold, 1. c. p. 18.

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Durch die stärkere Erwärmung der Luft am Tag und Abkühlung in der Nacht, welche als Folge der erhöhten Absorption eintreten würde, würden wiederum die Luftbewegungen, welche zum Herstellen des adiabatischen Zustandes streben, verstärkt werden. Es ist offenbar sehr schwer, diesen komplizierten Einfluss zu schätzen. Wahrscheinlicherweise wird die betreffende Änderung recht gering sein. Außerdem bewirkt eine recht bedeutende Änderung im Temperaturfall (sobald dieser nur die Hälfte des adiabatischen Temperaturfalles überschreitet) einen relativ sehr geringen Einfluss auf den schützenden Effekt der Kohlensäure, weshalb ich die Rechnungen so ausgeführt habe, als ob der Temperaturfall konstant so verbliebe wie er jetzt ist.

Dagegen würden die verstärkten Luftströmungen dazu beitragen, die Temperaturunterschiede zwischen den polaren und den äquatorialen Gegenden der Erde auszugleichen, wozu im allgemeinen eine Erhöhung der atmosphärischen Absorption hinführt.

(Eingegangen 19. Januar 1901.)

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Fundstellen:

Archive.org
Quelle: Annalen der Physik, Band 4 (1901), Seite 690 - 705
https://archive.org/details/annalenderphysi199unkngoog/page/n707/

Bibliothèque nationale de France
Quelle: Annalen der Physik, Band 4 (1901), Seite 690 - 705
https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k15314w/f804.image.langDE